JUWELEN (Austria, 1929)

Die beiden Musiker Richard Deutsch (Gitarre, Elektronik) und Lars Stigler (Gitarre, Vibraphon) schufen auf Grundlage einiger Motiv-Assoziationen einen improvisierten Score der in seiner Pluralität an Stilen seinesgleichen sucht und dem Genre der Stummfilmmusik neue Wege öffnet. (Filmarchive Austria)

An improvised film-score which opens new horizons for the genre of silent-movie music“ (Filmarchive Austria)

REGIE Hans Brückner

MIT Oscar Beregi, Manja Sorell, Alexander Critico, Renate Tiroff
PRODUKTION E. Schlesinger
FORMAT 35 mm
LÄNGE 2400 Meter; 6 Akte
LAUFZEIT 22 B/Sek., 55 Minuten

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Mehrere Morde nach demselben Muster, die Tatwaffe ist ein Stilett, das Motiv ist … von E. T. A. Hoffmann. So könnte man den Kriminalfilm JUWELEN umreißen, der 1930 unter dem schlagkräftigen Titel SENSATION IM DIAMANTENCLUB in die Kinos kam. Das Drehbuch orientierte sich an Motiven aus Hoffmanns Erzählung Das Fräulein von Scuderi (1819), die als erste Kriminalgeschichte in deutscher Sprache gilt und 1926 auch als Vorlage für Paul Hindemiths Oper Cardillac diente. Das »Cardillac-Syndrom«, also das fast Krankhafte mancher Künstler, sich nicht von ihren Werken trennen zu können, wurde dadurch zum Fachbegriff. JUWELEN bedient sich der literarischen Vorlage jedoch nur vage, zugunsten einer mysteriösen Kriminalgeschichte nach internationalem Vorbild, wobei das Masken- und Verkleidungs-Szenario im Juwelier-Milieu stellenweise an Louis Feuillades FANTÔMAS erinnert.

Auch in SENSATION IM DIAMANTENCLUB bleibt krankhafter Wahn ein Wesenszug des Mörders. Hoffmanns frühe Form von »Miss Marple«, das über 70-jährige Fräulein von Scuderi, ist in der modernen Geschichte durch einen jungen Zeitungsredakteur ersetzt, der die im Verlauf der Handlung mehrfach bedrängte Dame seines Herzens nach bewährter Dramaturgie nicht nur retten, sondern letztlich auch heiraten kann. Regisseur Hans Brückner mischt in seinem Kriminalfilm einige Elemente des Genres, die Palette reicht vom klassischen »Whodunit« über den Detektiv- bis hin zu Elementen des Horrorfilms, setzt auf Schatten, Lichtwirkung, Überblendung nach deutschem und bis ins Drastische gehende Ringkämpfe nach amerikanischem Muster. Als »moderner« Drehbucheinfall beeindruckt die dissoziative Bewegungsstörung, also die psychisch bedingte Lähmung eines Opfers im Schockzustand, ein Motiv, das sich später für das Horror-Repertoire als unabdingbar erweisen wird. (gk)