Das Wolgamaedchen

DAS WOLGAMÄDCHEN A/D 1930
REGIE Robert Wohlmuth
BUCH Siegfried Bernfeld, Siegfried Walter Fischer
MIT Evelyn Holt, Igo Sym, Nicolai Malikoff, Ellen Schaak, Toni Natzler, Julius Szöreghi, Fred Retzer, Frida Richard, Attila Hörbiger, Albert Kersten
PRODUKTION Hegewald-Film GmbH, Berlin
FORMAT 35 mm, s/w
LÄNGE 2138 Meter
LAUFZEIT 24 B/Sek., 78 Minuten

LIVESCORE FOR VIENNALE FILMFESTIVAL 2010
Richard Deutsch – guit/notebook

(video coming soon)

DAS WOLGAMÄDCHEN entstand zu Beginn der Tonfilmzeit, wurde noch als Stummfilm gedreht, jedoch nachträglich mit Geräuschen und Gesang unterlegt. Vor allem die musikalischen Einlagen mussten daher auf spätere Vertonung hin geschnitten werden. »Die synchronisierte Begleitmusik illustriert, unter reichlicher Verwendung von Balalaikamusik und russischem Gesang, das Milieu recht geschickt, ist aber in den Übergängen zu wenig ausgefeilt«, kritisierten Paimann’s Filmlisten.

In den Schönbrunner Ateliers wurden Szenerien aufgebaut, die das Publikum an ferne russische Schauplätze führen sollten, an denen die Liebesgeschichte zwischen einem Offizier und einem einfachen Mädchen spielt. Das Magazin Mein Film lancierte das Gerücht, ein als »Mr. Ralph Cannee« apostrophierter Fachmann wäre als künstlerischer Beirat herangezogen worden und vermutete hinter dem Pseudonym einen exilierten russischen Großfürsten. Dezent an russische Montagevorbilder erinnern einige Einstellungen im Film, etwa wenn die Schilderung der nach Hause reitenden Soldaten und ihnen entgegeneilender Bewohner auf stampfende Menschen- und Pferdebeine, aufgescheuchte Hühner, also kopfloses Hasten reduziert wird. Ob die überkochende Milch etwas über das danach gezeigte, im Heu aufgeschreckte Pärchen verrät, mag offen bleiben.

Die damals knapp über zwanzig Jahre alte deutsche Schauspielerin Evelyn Holt reflektiert in einem Interview moralische Dünkel ihrer Zeit. Sie habe sich anfangs gegen den Umstand im Drehbuch gewehrt, in ihrer Rolle ein lediges Kind zu bekommen, denn »das Publikum wird es mir am Ende doch nachtragen. Es identifiziert so leicht den Schauspieler mit der Rolle und wird mir vielleicht in Zukunft die unschuldigen kleinen Mädchen nicht mehr glauben.« Nur wenige Jahre später, 1933, hatte sie mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Der Verdacht jüdischer Herkunft beendete ihre Filmkarriere, nach der Heirat mit dem Verleger Felix Guggenheim emigrierte sie 1938 und starb 2001 in den USA, ohne je wieder für den Film gearbeitet zu haben. (gk)